Digitalisierung ist aus der Welt, in der wir leben, nicht mehr wegzudenken. Und, Hand aufs Herz: Wer will das schon? Wie Kinder im Umgang mit der digitalen Welt klar kommen, ist sehr unterschiedlich und hängt viel von den Eltern ab.
Was Eltern selbst tun, das stößt auf Besorgnis, wenn es ihre Kinder machen, und warnende Stimmen sorgen zusätzlich für Verunsicherung. Es stimmt: Kinder gehören zu den Bevölkerungsgruppen, die am stärksten vernetzt ist, und das beginnt in immer früherem Alter. Es sind nicht mehr nur die Jugendlichen.
Die unter Fünfzehnjährigen sind genauso oft und lange online unterwegs wie der durchschnittliche Erwachsene. Die Aktivitäten der Kinder im Netz entziehen sich mittlerweile weitgehend eurer Kontrolle, Mütter und Väter! Die Smartphones, die ihr den Kids geschenkt habt, ermöglichen einen unbegrenzten Internet-Zugang an jedem Ort und zu jeder Zeit.
Ein paar Zahlen und Fakten
Wir wissen aufgrund einer Studie des Familienministeriums: Sechs- bis Achtjährige spielen am liebsten mit anderen Kindern, ganz klassisch, nicht digital. Die virtuelle Welt hat nicht die Wichtigkeit, die ihr manchmal zugeschrieben wird.
Aber etwas mehr als die Hälfte der Achtjährigen ist tatsächlich online, die meisten davon mehrmals wöchentlich, nicht wenige sogar täglich. Erstaunlich ist, dass mehr als ein Viertel der Sechsjährigen das Internet mehr oder weniger regelmäßig nutzt, und, so besagt die Studie, jedes zehnte Dreijährige – aber dann sicher mehr für Spiele.
Smartphones und Laptops gehören zur normalen Ausstattung, unabhängig von sozialer Schicht und Einkommen der Eltern. Und nein, es sind nicht überwiegend die Jungen, die sich da hervortun. Kleine Mädchen sind nicht weniger in der virtuellen Welt unterwegs.
Jungen nutzen eher Spiele, für Mädchen dagegen ist die digitale Welt vorrangig eine Informationsquelle, behauptet die Studie. Wieder ein Punkt für die Mädchen. Eltern aus eher bildungsfernen Schichten halten Begleitung und Anleitung ihrer Kinder dabei selten für notwendig. Eltern mit guter Schulbildung und anspruchsvollen Berufen lassen ihren Nachwuchs beim Umgang mit digitalen Medien nicht allein.
Durch alle Milieus hindurch ist Spielen – mit Freunden, nicht mit der Konsole! – drinnen oder draußen das, was Kinder zwischen sechs und acht Jahren am liebsten tun. Und Kino, Sport, Musik ist für die meisten wichtiger als die digitale Welt. Normalerweise verbringen Kinder viel mehr Zeit mit nicht-virtuellen Aktivitäten. Das Hocken vor dem Bildschirm fällt nur mehr auf und ist dazu angetan, elterliche Besorgnis zu erregen.
Eltern sind sich der Gefahren bewusst
Der ungehinderte Zugang zu nicht jugendfreien Inhalten macht vielen Erziehungsberechtigten Sorgen. Sie sind sich auch der Bedrohung bewusst, die von fremden Personen im Netz ausgehen kann, ganz besonders, wenn Kinder zu viele private Daten preisgeben. Auch die Gefährdung der Kinder durch Mobbing ist ihnen meist bekannt.
Was sie hingegen erstaunlich wenig beeindruckt, sind die Bedenken, die Entwicklungspsychologen äußern. Auch Hirnforscher stellen die Frage, ob Kinder in den ersten Grundschuljahren überhaupt Nutzen von der digitalen Welt haben oder ob die Reizüberflutung ihnen sogar so sehr schaden kann.
Sie äußern auch Bedenken, dass die Fähigkeit zur Konzentration durch Gewöhnung an die bunte, schnelle virtuelle Realität leiden könnte.
Keine Panik – die Digitalisierung hat für Kinder viele Vorteile
Die Vernetzung bietet nicht zu unterschätzende Bildungschancen, auch für sonst benachteiligte Kinder, denen sich ganz neue Entfaltungsmöglichkeiten eröffnen. Sie können dort auch Freundschaften schließen – zunächst virtuell, aber oft werden diese Kontakte analogisiert, indem ein persönliches Kennenlernen stattfindet.
Durch solche Verbündete können Kinder vielfältige Unterstützung bekommen. Die Konzentration auf die Vorteile und nicht der verengte Blick auf die Gefahren ist hilfreich.
Was ihr als Eltern tun könnt
Es ist aus vielen Gründen nicht erstrebenswert, Kinder vom Internet fernzuhalten. Es ist auch gar nicht möglich. Forderungen dieser Art, die euch sicher auch schon vereinzelt zu Ohren gekommen sind, dürften völlig realitätsfern sein. Die Lösung sieht anders aus.
Kinder, denen vom Elternhaus grundsätzliche Kenntnisse über die digitale Welt vermittelt werden, lernen sehr wohl einen maßvollen und gesunden Umgang mit dem Internet und anderen digitalen Medien.
Wissen und Bildung heißen die Zauberworte. Grundkenntnisse darüber, was Software ist, wie sie entsteht, was für Gefahren und Chancen Digitalisierung birgt, was eigentlich Daten sind, wie sie genutzt werden, wie man sie sichert und schützt. Ja, das sind Grundlagen der Informatik, auch Wissen darüber, was eigentlich Algorithmen sind.
Ihr könnt und sollt euren Kindern all das nicht theoretisch erklären, sondern ihnen die Chance geben, beispielsweise zu lernen, wie eine einfache Webseite entwickelt wird. Es gibt hervorragende Angebote innerhalb und außerhalb der Schule, die kindgerecht sind. Innerhalb der Schule sind sie besonders wichtig, weil dort alle Kinder unabhängig von ihrer sozialen Herkunft Zugang zu Hintergrundwissen haben und nicht nur die mechanische Nutzung beherrschen.
Viel ist die Rede von Schulstress, aber selten davon, was Lehrkräfte für Schülerinnen und Schüler tun können, damit diese die virtuelle Welt verstehen, in der sie sich ganz selbstverständlich aufhalten. Wir können und müssen sie in die Lage versetzen, die Zukunft zu gestalten, aus der digitale Daten nicht wegzudenken sind. Nur so können sie auch kritisch damit umgehen, denn …
… die virtuelle Welt birgt auch Gefahren
Digitale Technologien können Kindern auf vielfältige Art schaden. Mobbing und Missbrauch sind nur die Spitze des Eisbergs.
Vor allem Mobbing wird von vielen Eltern gar nicht bemerkt oder es wird unterschätzt. Bitte seid sehr aufmerksam! Ihr kennt eure Kinder am besten und merkt, wenn etwas nicht stimmt.
Auf Missbrauch richtet ihr sicher mehr Aufmerksamkeit. Denkt daran, dass die ersten Vorboten nicht ohne weiteres zu erkennen sind. Potentielle Täter können über Social Media und viele harmlos erscheinende Foren mit Kindern Kontakt aufnehmen, ohne dass diese die Gefahr erkennen.
Es ist für einen erwachsenen Mann nicht schwer, sich im Internet-Chat als 12-jährigen Jungen auszugeben. Niemals dürfen Kinder gegenüber Menschen, die sie nicht persönlich kennen, ihre Adresse herausgeben, niemals dürfen sie sich mit jemandem treffen, von dem die Eltern nichts wissen.
Seiten mit pornografischen Inhalten, die sich Kinder ansehen könnten, sind da noch etwas vergleichsweise Harmloses. Auch das wollt und sollt ihr verhindern. Wenn ihr aber Seiten sperrt, die die Buchstabenkombination sex tragen, sorgt ihr zum Beispiel auch dafür, dass eure Kinder sich über Antarktisexpeditionen informieren.
Ganz so einfach ist es also nicht.
Ihr wisst aber oder solltet wissen, wie ihr sehen könnt, auf welchen Seiten euer Nachwuchs unterwegs war – außer, die Kids sind so pfiffig, den Verlauf zu löschen. Aber spätestens dann solltet ihr misstrauisch werden.
Das Augenmerk ist mehr darauf zu richten, was sie sehen und weniger darauf, wie lange sie sich in der digitalen Welt aufhalten.
Erfahrungsgemäß wenden sich Minderjährige, die schlechte Erfahrungen im Netz machen oder sogar erkennen zuerst an gleichaltrige Freunde und nicht an ihre Eltern. Das macht die Situation für euch nicht einfacher, weil ihr erst spät oder gar nicht erfahrt, dass eine Schieflage entstanden ist und ihr eingreifen müsst.
Andere Gefahren nehmen sich vergleichsweise harmlos dagegen aus, müssen aber auch im Auge behalten werden. Internet-Abhängigkeit, Übergewicht und Verkümmerung motorischer Fähigkeiten durch Bewegungsmangel sind nicht selten. Schlafstörungen durch permanente Reizüberflutung können eintreten, wenn täglich stundenlang im Internet gesurft wird.
Aber: Die meisten Kinder leiden eher unter Problemen im richtigen Leben als unter denen, die die virtuelle Welt bereit halten kann. Schwierigkeiten in Familie oder Schule können der körperlich-seelischen Gesundheit mehr schaden als die Zeit, die im Internet verbracht wird.
Digitale Kompetenz kann gelernt werden
Ihr als Eltern seid dazu aufgerufen, euren Kindern den richtigen Umgang mit digitalen Medien beizubringen. Die Rolle der Schule darf nicht unterschätzt werden. Sie bietet allen Kindern ungeachtet ihrer sozialen Herkunft gleiche Chancen. Auch dafür solltet ihr euch einsetzen. Warnungen und Verbote sind weniger zielführend als Bildung und Aufklärung.